Liebe Bürgerinnen,
anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentages wende ich mich heute vor allem an Sie:
Im Rahmen meiner Arbeit werde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, inwiefern wir diesen Tag überhaupt noch brauchen. Wurde einst der Internationale Frauentag unter dem Motto „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“ begangen und seitdem auch viele Rechte für Frauen errungen, bin ich dennoch der Meinung, dass wir diesen Tag aus einem guten Grund noch immer benötigen. Denn es reicht nicht, die Gleichberechtigung von Frau und Mann gesetzlich zu verankern - die Rechte müssen sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich gelebt werden!
Mit Blick auf den Alltag vieler Frauen und Mütter erkenne ich aber vor allem eins: Eine innere Zerrissenheit und auch eine große Erschöpfung verbunden mit der Angst, nicht gut genug zu sein! Dem liegt aus meiner Sicht ein höchst widersprüchliches und bedenkliches Idealbild der Frau und Mutter von heute zugrunde, demnach sie alles zugleich sein muss: Einerseits eine hingebungsvolle, die Kinder immer umsorgende, perfekte Mutter sowie auch eine liebevolle, immer entspannte Partnerin und andererseits eine höchst ambitionierte und beruflich engagierte „Karrierefrau“ (hierzu gibt es übrigens kein negativ besetztes männliches Pendant!). Den Anspruch, den Frauen heute an sich selbst haben und die auch die Gesellschaft an sie hat, könnte nicht höher sein. Dabei sind sie vor allem ihrer strengen inneren Kritikerin jede Minute eines Tages ausgesetzt, aber zudem auch der Bewertung durch ihr soziales Umfeld. Und sehen Sie, das kann gar nicht funktionieren!
Der Fehler ist dabei nicht bei den Frauen zu suchen, sondern liegt im System! Wir müssen aufhören, Frauen daran zu bewerten, ob sie gute Mütter sind. Und wenn wir wollen, dass Frauen berufliche Karriere machen, dann müssen wir die Rahmenbedingungen für eine entsprechende Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf auch in Führungspositionen schaffen. Ich bin überzeugt, dass dies ebenso Männern, vor allem Vätern, schon aus gesundheitlichen Aspekten entgegenkommt. Es erfordert tatsächlich ein großes Umdenken. Vielleicht können wir uns hier an der gelebten Praxis in Schweden ein Vorbild nehmen, wo Führungspositionen in Teilzeit oder in Tandems möglich sind und ein weniger idealisiertes Frauen- und Mutterbild in den Köpfen verankert ist.
Das Ziel sollte es immer sein, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ein nach ihren Vorstellungen freies und selbstbestimmtes Leben führen können! Genau hierfür müssen wir eine Grundlage schaffen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute zum Frauentag!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Gleichstellungsbeauftragte
Anja Bugenhagen